Wie und durch wen kam es zur Gründung des bdia, einem Berufsverband, der heute mit neun Landesverbänden bundesweit agiert und der größte Berufsverband der Innenarchitekt*innen in Europa ist?
Pia A. Döll: Bis 1952 gab es offiziell keine Trennung zwischen den Hochbau- und den Innenarchitekten. Nachdem der BDA eine neue Satzung verfasst hatte, die den Begriff und die professionellen Aufgaben der Architekten einengte, wurde man sich der Ungleichberechtigung bewusst. An der damaligen „Tischler-Fachschule“ in Detmold initiierte der Direktor Friedrich Meyer am 21. April 1952 eine „Vorbesprechung“ dieser Thematik für engagierte Gestalter in Deutschland. Das Resultat: man gründete in Detmold einen neuen Interessenverband für den Berufsstand, den „Bund Deutscher Innenarchitekten BDIA“. Erste Leitungspositionen wurden in dieser Zeit aus den Reihen der „Tischler-Fachschule“ besetzt. Erster Vorsitzender war damals Karl Steiniger. Einen guten Einblick in die Gründungshistorie gibt Herr Prof. Andreas Vetter in seinem Buch „1893-2018\Eine Schule für Gestaltung\125 Jahre Lehrtradition an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur“. Herr Prof. Vetter ist selbst Dozent an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, die sozusagen das Erbe der alten „Tischler-Fachschule trägt“. Aus diesem Grund kehren wir anlässlich unseren 70-jährigen Jubiläums wieder zurück zu unseren Wurzeln, nämlich nach Detmold.Welche Meilensteine haben den Bund deutscher Innenarchitekten so erfolgreich gemacht?
Pia A. Döll: Der Berufsverband kann auf zahlreiche Meilensteine zurückblicken. Ich will hier nur die herausragendsten nennen: 1954 reichte der BDIA den ersten Entwurf zum Titelschutz „Innenarchitekt“ bei der Bundesregierung ein und gestaltete in den kommenden Jahren das Berufsbild der Innenarchitektinnen und Innenarchitekten aktiv mit. 1963 war der BDIA Gründungsmitglied des ersten internationalen Interessenverbandes, der Internationalen Föderation der Innenarchitekten (IFI). Heute sind wir sowohl Mitglied der IFI als auch Mitglied der ECIA, des europäischen Zusammenschlusses der Innenarchitekt*innen-Verbände. 1981 verlieh der BDIA zum ersten Mal den Deutschen Innenarchitekturpreis und seit 1985 erscheint das BDIA Handbuch Innenarchitektur jährlich. Nach der Wende gab es schnell Kontakte zwischen den Innarchitektinnen und Innenarchitekten in Ost und West, so kam es bereits 1990 zur Gründung des BDIA Ost in Berlin, der schon ein Jahr später mit dem BDIA fusionierte. 2011 fiel die Entscheidung, dass der neue Standort der Bundesgeschäftsstelle von Bonn nach Berlin verlegt wird. 2017 kam es zum Re-Branding: aus dem BDIA wird der bdia_bund deutscher innenarchitekten mit neuem Corporate Design.Licht- und Klanginstallation by Laurenz Theinert / Detmolder Sommertheater JUBILÄUM 70 JAHRE BDIA 20.10.2022 © Laurenz Theinert 2022
Welche Aufgaben erfüllt der bdia heute und wie haben sich die Aufgabenstellungen im Laufe der Jahrzehnte verändert?
Pia A. Döll: Der bdia fördert und festigt in erster Linie den Berufsstand und die Berufsausübung der Innenarchitektinnen und Innenarchitekten in Deutschland. Dabei setzt er sich als Berufsvertretung seiner Mitglieder für deren Belange in der Öffentlichkeit und gegenüber den Kammern, der Wirtschaft und der Politik ein. Wir sind auch Ansprechpartner für eine Vielzahl von Studierenden und Studieninteressierten. Mit dem Ausschuss Innenarchitektur im ASAP (Akkreditierungsverbund für Studiengänge der Architektur und Planung) können wir als Verband auch fachspezifische Empfehlungen für die Entwicklung der Innenarchitektur-Studiengänge in Deutschland aussprechen. Darüber hinaus bieten wir mit unserem Seminar- und Fortbildungsprogramm auf die beruflichen Interessen der Mitglieder zugeschnittene Formate an, die es möglich machen, die für die Kammerzugehörigkeit nötigen Fortbildungspunkte zu erlangen. Wir verstehen uns als Plattform für die Information, die Kommunikation und den Erfahrungsaustausch unter Kolleginnen und Kollegen.Natürlich profitieren wir als Verband von der Nähe zur Politik und den anderen Verbänden seit unserem Umzug nach Berlin. Der bdia ist Mitglied in einer Vielzahl von Gremien und Ausschüssen, hat sich über die Jahre immer besser vernetzt und die Kollaboration mit den anderen Planer*innenverbänden in Berlin intensiviert.
Welchen Stellenwert haben technologische Neuerungen und ökologische Nachhaltigkeit bei der Arbeit des bdia heute? Wie und in welcher Form arbeitet der bdia mit dem Gesetzgeber zusammen, um in diesen beiden Bereichen Einfluss nehmen zu können?
Pia A. Döll: Im Fokus der Innenarchitektur steht die Interaktion des Menschen mit dem ihn umgebenen Raum. Die letzten Jahre haben der ganzen Welt gezeigt, dass nachhaltige Konzepte nicht einfach „nice to have“ sind, sondern zwingend notwendig, um den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen. Wir als Innenarchitektinnen und Innenarchitekten wollen Räume so planen, dass Produktionsprozesse und Zeitschienen vorausgedacht, die Nutzungsdauer möglichst lang und der Nutzungszweck möglichst offen bleibt und Ressourcen achtsam eingesetzt werden. Neue technologische Ansätze, beispielsweise in der Bauwirtschaft, zeigen uns neue Wege auf: „Urban Mining“ und Recycling von Bausubstanzen müssen stärker in zukünftige Bauprojekte einbezogen werden. Außerdem sind wir die Expertinnen und Experten für das Bauen im Bestand, das im Zuge des Klimawandels immer wichtiger wird. Kenntnisse und Fertigkeiten auf diesem Gebiet erlangen wir im Unterschied zu den anderen planenden Berufen schon während des Studiums. Das ist die große Chance für unseren Berufsstand und der bdia als Sprachrohr unterstützt dabei, dass diese Information auch an die Auftraggeber weitergegeben wird.In Zusammenarbeit mit den anderen Planer*innenverbänden entwickeln wir regelmäßig an den Gesetzgeber gerichtete Positionspapiere, unterzeichnen Stellungnahmen und unterstützen Initiativen. Jüngst wurde unser Vorschlag zur dringend notwendigen Novellierung der HOAI, den wir zusammen mit anderen Verbänden und Institutionen erarbeitet haben, in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Ich verbuche das als Erfolg unserer „Team-Work“.
Von links nach rechts: Vizepräsident Matthias Franz, Präsidentin Pia A. Döll, Vizepräsident und Schatzmeister Johann Haidn, Vizepräsidentin Irene Maier. Foto: Matthias Eckert
Um beim Thema Ökologie zu bleiben: der bdia hat die Initiative Nachhaltigkeit gestartet. Worum handelt es sich hier genau?
Pia A. Döll: Die Initiative „Phase Nachhaltigkeit“ der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen und der Bundesarchitektenkammer hat sich zum Ziel gesetzt, die aktuelle Planungs- und Baukultur hin zum nachhaltigen Bauen als neuem Normal zu transformieren. Der bdia war als Projektbeteiligter in der glücklichen Lage, einen wichtigen Bestandteil der Initiative zu entwickeln: Die Deklaration Nachhaltigkeit Innenarchitektur. Diese soll bei der projektindividuellen Ziel- und Schwerpunktdefinition unterstützen, und dies bei jedem Projekt. Die Deklaration kann und soll keinen Vertrag ersetzen, sondern Anregungen dazu liefern, welche Nachhaltigkeitsziele bei der Planung im Blick behalten werden sollen. Diese Anregungen können daher bei der Ausformulierung des Planer*innenvertrages miteinfließen. Durch die Beteiligung an der Initiative demonstrieren die Planerinnen und Planer einen neuartigen Schulterschluss hin zu dem Verständnis, dass wir nur gemeinsam die notwendige Veränderung und unseren Beitrag zum Klima-, Ressourcen- und Biodiversitätsschutz leisten können und dies auch aktiv über jedes Projekt umsetzen wollen und müssen.Als bdia sehen wir uns als Wissens-Plattform für die verschiedenen Themen rund um die Nachhaltigkeit. Darum hat sich in den Reihen des bdia die AG Nachhaltigkeit gegründet.
diese kreiert ein Netzwerk an relevanten Projektpartnern für die bdia Innenarchitektinnen und Innenarchitekten. Oftmals ist es das richtige Wording, das im Bauprojekt den Prozess vorantreibt. Die AG unterstützt konkret mit Argumenten und Partnern aus der Baubranche.
Wie hat sich das Profil des durchschnittlichen Auftraggebers im Laufe der Jahrzehnte verändert? Man könnte vermuten, der Anteil privater Auftraggeber ist im Laufe der Jahre gestiegen.
Pia A. Döll: Leider liegen uns diesbezüglich keine Statistiken vor. Es ist anzumerken, dass sich die Möglichkeiten für Innenarchitektinnen und Innenarchitekten, tätig zu werden, über die Jahre erweitert haben. Das Spektrum ist größer geworden. Das sieht man auch sehr schön in unserem jährlich erscheinenden bdia Handbuch Innenarchitektur, das Projekte inzwischen den Sparten Health, Hospitality, Living, Office, Public und Retail/Fair zuordnet. Des Weiteren gibt es viele Büros, die auf einen Bereich spezialisiert sind. Diese übernehmen dann vorrangig Projekte, die sich mit dem Büroprofil decken.Wie fällt der Fachkräftemangel unter den Handwerkern auf die Tätigkeiten des Innenarchitekten zurück? Können Sie als Verband da unterstützend tätig werden?
Pia A. Döll: Der Mangel an Fachkräften führt in erster Linie zu Verzögerungen in der Auftragsabwicklung. Für Innenarchitektinnen und Innenarchitekten, die dies in ihrer Vertragsgestaltung nicht mitdenken, kommt es im schlechtesten Fall zu Vertragsstrafen. Aber auch hier liegen uns keinen genauen Zahlen vor. Als Verband können wir nur dazu schulen und darauf hinweisen, dass unsere Mitglieder ihre regionalen Netzwerke nutzen und sich bestmöglich absichern.Bildung ist generell ein heikles Thema: an Schulen besteht Lehrermangel und oft hat man das Gefühl, Lehrmethoden und Lernmittel seien veraltet. Inwiefern trifft ähnliches auf Universitäten und insbesondere auf das Studium der Innenarchitektur zu? Wo sehen Sie Handlungsbedarf und wie versuchen Sie als Verband da aktiv zu werden?
Pia A. Döll: Die Innenarchitektur-Ausbildung in Deutschland erfolgt in der Regel nicht an Universitäten, sondern an Hochschulen. Wie schon angesprochen, gibt der ASAP Fachausschuss Innenarchitektur Empfehlungen für die Ausbildung von Innenarchitektinnen und Innenarchitekten aus. Ein aktuelles Thema ist beispielweise, dass Hochschulen noch wenig Anwendungswissen rund um die Software BIM (Building Information Modeling) vermitteln. Am Markt werden jedoch dringend BIM-Expertinnen und -Experten gesucht. Immer mehr Auftraggeber setzen diese Fachkenntnisse bei Innenarchitektinnen und Innenarchitekten voraus. Hat man diese nicht, bekommt man den Auftrag nicht. Der Fachausschuss setzt sich dafür ein, dass entsprechende Lehrinhalte an den Hochschulen implementiert werden. Des Weiteren geben wir mit dem bdia Hochschultag Innenarchitektur, der einmal im Jahr stattfindet, auch den Dozentinnen und Dozentinnen an den deutschen Hochschulen die Möglichkeit des Austausches, zum einen untereinander, aber auch mit den Expertinnen und Experten aus der Praxis.Welches große Ziel hat sich der Verband anlässlich des Jubiläums auf die Fahne geschrieben?
Pia A. Döll: Ich denke, unser Handeln wird durch unterschiedliche Ziele angetrieben. In erster Linie möchten wir weiterhin die Interessen unserer Mitglieder bestmöglich vertreten. Weiterhin möchten wir auch den Nachwuchs davon überzeugen, dass es sich lohnt für den Berufsstand einzutreten und ehrenamtlich tätig zu werden. Wir sprechen die ganze Zeit von der Zukunft der Innenarchitektur, aber diese Zukunft liegt nur bedingt in meinen Händen. Wir wollen mit dem Jubiläum 70 Jahre bdia die jüngeren Generationen dafür sensibilisieren, dass ein Ehrenamt kein Ballast ist, sondern ganz neue Perspektiven öffnen kann, den Austausch mit Kolleginnen und Kollegin befruchtet und man viel Gutes erfährt – und letztendlich viel lernt.Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) 20.10.2022 © TH OWL
Der Showroom bdia Handbuch Innenarchitektur 2022/23 hingegen präsentiert anhand von 25 ausgewählten Projekten die aktuellen Trends und das herausragende Gestaltungsniveau der Innenarchitektur in Deutschland. Dabei werden sie erstmals parallel sowohl digital als auch materiell erlebbar gemacht.